Später wurden Gemeinden mit pfingstlichem Hintergrund in
vielen Städten im Ruhrgebiet gegründet. Eine von diesen war
die so genannte Stubenversammlung, die sich 1961 zuhause
bei Familie Wiese in Dorsten gründete.
Erst 1971 konstituierte sich die Versammlung mit dem Eintrag ins Vereinsregister und
wurde dabei als gemeinnützig anerkannt. Die Gemeinde war von Beginn an eingebettet
in den Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden KdöR. Nachdem
das Wohnzimmer für die Gottesdienste zu klein geworden war,
traf man sich zunächst in einer Schulklasse, bis später für viele
Jahre eine Doppelgarage an der Kreuzung der Marler Straße
und der Bochumer Straße zum Domizil der Gemeinde wurde.
Das Gemeindeleben war herzlich aber eher unauffällig und in
der Stadt isoliert. Die Ausnahme bildeten Zeltevangelisationen, bei denen die Gemeinde in
die Öffentlichkeit trat.
Zum pfingstlichen Selbstverständnis gehört der Glaube, dass Gott Menschen Gaben
schenkt, z.B., prophetisch in die Zukunft blicken zu können. So gab Gott einer Frau der
Gemeinde die Vision, in der Gott sprach: "Ich werde der Ge-
meinde ein großes Haus geben und die Gemeinde wird so
wachsen, dass sich alle wundern werden". Anfänglich waren alle
begeistert, aber als sich dann viele Jahre nichts tat, wuchsen die
Zweifel und es kam zum Widerspruch und Streit. Das führte dazu,
dass viele die Gemeinde verließen. Sie schrumpfte von ca. 40
Mitgliedern auf 12 und stand kurz vor der Schließung.
1979 kam ein junger Pastor in die Gemeinde, der durch seine Hinwendung zu Gott von
Heroinsucht frei geworden war, eine theologische Ausbildung
absolviert hatte und in Dorsten seine erste Stelle antrat. Durch
ihn kamen erste junge Menschen zur Gemeinde hinzu. Es gab
eine Kooperation mit der Freien Christengemeinde Oberhausen
im dortigen Stadtteil Osterfeld. Diese hatte zu der Zeit eine
starke Teestubenarbeit, wo sich viele Jugendliche trafen. Dorsten und Oberhausen hatten
viele Jahre aus finanziellen Gründen gemeinsam einen Pastor. Später kam in Dorsten zu
dem jungen Pastor auch ein junger Gemeindeleiter hinzu. Beide griffen die Prophetie vom
"Haus und Wachstum" auf und nahmen sie ernst. Sie begannen Objekte zu besichtigen und
landeten schließlich bei der Deutschen Bundesbahn, die den Bahnhof in Hervest-Dorsten
verkaufen wollte.
Gemeinsam mit der Frau, die den Eindruck von Gott bekommen hatte, kam es zur ersten
Besichtigung. Der Bahnhofsbetrieb war bereits seit fünf Jahren eingestellt gewesen, die
Bahnhofsgaststätte seit zwei Jahren geschlossen. Die Fenster
waren verbrettert und Nichtsesshafte hatten sich in allerlei Unrat
eine illegale Bleibe eingerichtet. Ein Wasserschaden im Dach
führte dazu, dass der Parkettboden in der ehemaligen Bahnhofs-
gaststätte aufgequollen war. In all dem Chaos hüpfte die Frau
vor Freude und rief: "Das habe ich gesehen, das hat Gott mir
gezeigt". So begannen die Verhandlungen mit der Deutschen Bundesbahn, die sich über ein
Jahr erstreckten. Während dieser Zeit wurden in Eigenleistung zwei Wohnungen in dem
Gebäude vollständig saniert. Obwohl der Kauf noch nicht vollzogen war, erfolgte die Sanier-
ung, unter Duldung und mit Unterstützung der Bahn. Alle waren überzeugt, dies sei das
angekündigte Gebäude. Allerdings wollte die Gemeinde eigentlich nur den südlichen Ge-
bäudetrakt mit der Bahnhofsgaststätte als Versammlungsraum kaufen - was wegen der
Grundstückgrenze nicht möglich war. Man muss sich vergegenwärtigen, dass zu der Zeit
nur vier erwerbstätige Personen in der Gemeinde waren, der Rest waren Rentner und
Kleinkinder. Menschlich gesehen war es ein übergroßes Risiko aber man vertraute Gott,
dass die Finanzen zusammenkommen würden, was bis heute der Fall ist.
1983 kaufte die Gemeinde schließlich den Mittelteil mit der großen Halle sowie den rechten
Teil des Gebäudes, in dem sich die Bahnhofsgaststätte befunden hatte, und bezog mit zwei
Familien die Wohnungen. Die Bahnhofshalle wurde lange Zeit an eine Handwerksfirma ver-
mietet, später in Eigennutzung als Antikmöbelladen betrieben.
1985 gab es einen Pastorenwechsel und die Gemeinde
wuchs in den nächsten 10 Jahren von 20 auf etwa 90 Mit-
glieder. Dazu wurde Raum um Raum im neuen Domizil re-
noviert: Gottesdienste bis 15 Personen fanden im Warteraum
1. Klasse statt. Dann zog man in den Warteraum 2. Klasse, bis ca. 50 Personen die Gottes-
dienste besuchten. Anfang der 90 Jahre zog man in die ehemalige Bahnhofsgaststätte, die
bis zu 100 Sitzplätze bot. Beständig bestand bei den Mitgliedern eine hohe Identifikation mit
der Gemeinde, so dass die notwendigen Finanzen für Umbauten zusammen getragen
werden konnten, obwohl in dem Zeitraum ein Großteil der Mitglieder Schüler und Studenten
waren.
Seit 1985 gab es Bestrebungen, Menschen auch praktisch zu dienen. So wurde ein Antik-
möbelladen in der Bahnhofshalle eingerichtet, dessen Einnahmen für den Aufbau einer
Wohnstätte für Drogenabhängige eingesetzt werden sollten. Dieses Vorhaben wurde nie
realisiert, hingegen bauten die Mitarbeiter im Dorstener Stadtteil Barkenberg eine offene
Kinder- und Jugendgruppe mit dem Namen Kephas auf, in der spielerisch und kindgerecht
das Evangelium weitergegeben wurde, in der aber auch vielfältige Kontakte gelebt und
Unterstützungen gegeben wurden. Diese Arbeit gab es von 1994-2010.
1995 erfolgte erneut ein Wechsel in der Leitung der
Gemeinde. Die nächsten Jahre waren mehr von
innerem als von äußerem Wachstum geprägt. Es
wurde viel Wert auf die Mitarbeiterausbildung gelegt.
Außerdem entstand zunehmend die Vision, Ge-
meinde nicht nur für Dorsten zu sein, sondern auch neue Gemeinden in Nachbarorten und
-städten zu gründen. Konkret gab es schon Ende der 90er Jahre Überlegungen für Reken.
Von dort hatten sich vermehrt Menschen der Gemeinde angeschlossen und eine Haus-
gruppe gebildet. Dadurch, dass einer der Pastoren seinen Wohnsitz in Bottrop hatte,
gab es diese Überlegungen auch für Bottrop. Wegen anderer Herausforderungen wurden
diese Überlegungen aber erst einmal zurück gestellt.
Seit 1989 hatte die Gemeinde das Interesse gehegt, auch den westlichen Gebäudeteil zu
erwerben. Allerdings kaufte die Stadt Dorsten den ehemaligen Verwaltungstrakt des
Bahnhofs mit Bahnhofsbüro und Gepäckabfertigung und errichtete dort ein Übergangsheim
für Flüchtlinge. Hier lebten ca. 45 Menschen aus unterschiedlichsten Nationen auf engstem
Raum. Im Jahr 2001 gab die Stadt das Asylbewerberheim auf und verkaufte diesen Gebäu-
deteil an die Gemeinde. Stück um Stück erfüllte sich die Prophetie von "Haus und Wachs-
tum". Mit dem Kauf des Westflügels wurden schon fertig ausgearbeitete Umbaupläne für
Halle und Südflügel verworfen und neu geplant.
Ab 2001 fand ein grundsätzlicher Wandel im Kindergot-
tesdienst statt. Inspiriert durch die Willow Creek Gemein-
de in Chicago wurde das Promiseland-Programm einge-
führt, das wir heute Kids-Camp nennen. Der Kindergot-
tesdienst, der an drei von vier Sonntagen im Monat pa-
rallel zum Hauptgottesdienst stattfindet, wird seit 2001
in den zwei aufeinander folgenden Teilen Plenum und Kleingruppen durchgeführt. Im Ple-
num bekommen alle Kinder von 4 - 11 Jahren gemeinsam und interaktiv biblische Wahrhei-
ten durch ein Bühnenprogramm vermittelt. In den Kleingruppen werden die Inhalte spieler-
isch und altersgemäß weiter bearbeitet. In der Kids-Camp-Arbeit können sich Mitarbeiter
entsprechend ihrer Begabungen punktgenau einbringen und müssen nicht Universalmitar-
beiter sein, die alles können. So gibt es Mitarbeiter, die nur Spiele vorbereiten und beglei-
ten, solche die die Kleingruppe leiten und solche, die ein Bühnenprogramm durchführen.
Insgesamt konnten seit der Einführung des Programms so mehr Freiwillige zur Mitarbeit
motiviert werden. Die unterschiedlichen Themen, die im Kids-Camp behandelt werden,
erstrecken sich immer über 10-12 Wochen.
2003 wurde im Westflügel als erstes die Dachgeschosswohnung
fertiggestellt, 2004 das erste Obergeschoss mit zwei Büros und
vielen Gruppenräumen eingeweiht. Endlich hatte die Raumnot ein
Ende, die sich durch den Zuwachs an Kindern ergeben hatte.
Viele der Jugendlichen, die Ende der 80er Jahre hinzugekommen
waren, hatten geheiratet und Familien gegründet. Die Gemeinde
veränderte sich in ihrer mehrheitlichen Struktur zunehmend vom Singledasein hin zur Familie.
Der Bereich des Erdgeschosses im Westtrakt wurde zunächst im Rohbau so hergerichtet,
dass sich dort später ein Café einrichten ließ. Nach 2004 wurden aus finanziellen Gründen
zunächst keine weiteren Baumaßnahmen durchgeführt.
Im Januar 2007 tobte der Sturm Kyrill über Europa und
ging auch am Gemeindehaus nicht spurlos vorbei. Das
Hallendach wurde an vier Stellen abgedeckt, Regen
drang ein und weichte die abgehängte Gipskuppel so auf,
dass Putzbrocken herabfielen. Letztlich war es der Sturm,
er den Anstoß gab, das alte historische Bahnhofsgebäude in seinem Bestand zu schüt-
zen. Im gleichen Jahr wurden die beiden Wohnungen im Südtrakt zu einer zusammengefasst
und vollständig saniert. Zeitgleich wuchs neben der Einsicht in die Notwendigkeit, Dach und
Fassade des gesamten Gebäudes sanieren zu müssen, der Wunsch, auch die Innenarbeiten
fertig zu stellen und den “großen Wurf” mit Innen- und Außensanierung zu wagen.
Nach Abschluss der Planungen startete der Großumbau im
Oktober 2008 mit der Beseitigung der Sockelsteine, die für
eine Wärmedämmung Platz machen mussten. Viele Firmen
aus der Region für an die 20 Gewerke wurden beauftragt. Da
mit dem Umbau auch immer mehr Wünsche an Qualität und
Aussehen wuchsen, musste die Gemeinde viel Eigenleistung investieren. Neun Monate lang
wurden die Gottesdienste außerhalb gefeiert. Insgesamt war es eine enorme Aufgabe, den
Wandel zu gestalten. Alle wirkten nach ihren Möglichkeiten kräftig mit. Im September 2010
war es soweit. Die Einweihungsfeiern bildeten einen echten Höhepunkt des Umbaus. Eine
erweiterte Versammlungshalle, ein Cafébereich und ein eigener Trakt für die Kinder, komplett
neue Sanitäranlagen und eine neue Küche waren entstanden. Außerdem gibt es endlich ein
Foyer, durch das man trockenen Fußes von einer Seite des Gebäudes zur anderen kommt.
Schon während der Umbauphase wurde überlegt, wie das Ge-
bäude mit Leben gefüllt werden könnte, wie Stadt und Menschen
davon profitieren würden. Aber auch über die neuen Möglichkei-
ten hinaus wollte die Gemeinde mehr gesellschaftliche Relevanz
erlangen und verlässlicher Partner sein. Kulturveranstaltungen,
Beteiligung am Projekt Soziale Stadt Hervest oder die Überlass-
ung der Räume für den Dorstener Wirtschaftsempfang 2011 sind beispielhafte Schritte. Die
Möglichkeiten, die das Gebäude bietet, sehen wir noch lange nicht ausgeschöpft. Auch die
Vernetzung mit anderen gesellschaftlichen Gruppen der Stadt hat zugenommen und soll
weiterentwickelt werden. In den zwei Jahren nach dem Umbau kam es außerdem zu einem
Mitgliederzuwachs von ca. 50 Prozent.
Was in 2011 schon gedanklich begonnen hatte, wurde im
Frühjahr 2012 durch die Gottesdienstreihe "d.i.a.l.o.g." mit
Predigtschwerpunkten zu Dienst und Diakonie im Alltag kon-
kretisiert. Die Predigten wurden in den Hauskreisen nachge-
arbeitet. So lag der Schwerpunkt in der Betonung der Gesell-
schaftsrelevanz von Kirche. Die Idee fand Umsetzung u. a. in
einem praktischen Projekt in Hervest. In der Fortsetzung der Idee von Kephas beteiligt sich
die Gemeinde in dem mit besonderen sozialen Herausforderungen versehenen Stadtteil an
der Durchführung eines offenen Spielangebotes für Kinder. Dies geschieht dadurch, dass
junge Erwachsene der Gemeinde das wöchentliche Spielangebot der Mobilen Jugendhilfe
Hervest ergänzen, in dem sie dieses Angebot an einem zweiten Nachmittag in der Woche
durchführen und mit eigenen Ideen weiter ausbauen.
Darüber hinaus wurde die Mitarbeit in der allgemeinen Stadtteilarbeit in Hervest intensiviert,
z. B. durch die Teilnahme an den Stadteilkonferenzen. Die Gemeinde legt dabei ihr Augen-
merk insbesondere darauf, einen Stadtteiltreff für die Bewohner der Ellerbruchsiedlung
zu installieren und als Träger zu fungieren. Die Realisierung geschah im Sommer 2013.
Dies geschieht in enger Kooperation mit anderen Akteuren im Stadtteil, wie der Mobilen
Jugendhilfe, der Kirchengemeinde St.Josef, der Schulsozialarbeiterin der Grundschulen, dem
Mr. Trucker Kinderhilfe e.V., sowie der Stadt Dorsten.
Zunehmend versteht sich die Kirche im Bahnhof mit ihrer Botschaft des Evangeliums und
den daraus erwachsenden praktischen Hilfeleistungen als wichtiger Faktor für die Stadt und
das Leben der Menschen.
Im etwa 20 km von Dorsten entfernt liegenden Ort Reken wurde von der dortigen Tochter-
gemeinde ein Ladenlokal angemietet, in dem regelmäßig sonntags Gottesdienste stattfinden.
Die Gruppe in Reken wurde 2011 offiziell Tochtergemeinde der Gemeinde in Dorsten. In
Bottrop wurde ebenfalls mit dem Feiern von Gottesdiensten einmal im Monat begonnen.
Auch hier zeigt sich die schrittweise Realisierung dessen, auf was Gott vor vielen Jahren
bereits hingewiesen hatte.
Auch wenn die Botschaft und die damit verbundenen Werte und Ziele der Gemeinde sich
nicht geändert haben, hat sich die Gemeinde in ihrer Erscheinung, Wahrnehmung und Aus-
richtung grundsätzlich entwickelt. Zunehmend wurde die Gemeinde von außen Kirche im
Bahnhof genannt, was als neuer Untertitel übernommen wurde, denn er beschreibt exakt das
Wesentliche.
Die Geschichte der Freien Christengemeinde in Dorsten, der Kirche im Bahnhof, hat erkenn-
bar mit Gottes Reden und Handeln zu tun. Wir erwarten, dass sich das auch weiterhin fort-
setzt. Das Bahnhofsgebäude ist dabei für uns Geschenk und Aufgabe zugleich.
Januar 2013
Jens Vogel, Pastor und Gemeindeleiter
1961
Beginn der
Versammlungen
1971
Eintrag ins
Vereinsregister
1974
Prophetie
"Haus & Wachstum"
1979
Kooperation zweier
Gemeinden
“Das hat
Gott
mir gezeigt”
1983-1995
Kauf von
Halle und Südflügel
Soziale Arbeit
1995-2000
Mitarbeiterausbildung
Vision Gemeindegründung
2001
Kauf des Westflügels
Änderungen im
Kindergottesdienst
2002-2004
Umbau des
Westflügels
2007
Kyrill
Wohnungssanierung
2008-2010
Großumbau
Seit 2011
neue Erscheinung
Wachstum
Ausrichtung
seit 2011
sozial-missionarisch
Gemeindegründung
Der Wirtschaftsboom Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre führte im Ruhrgebiet zu
einem Zuzug vieler Arbeitskräfte aus dem Osten (Ostpreußen), die vorzugsweise im
Bergbau und der Stahlindustrie Arbeit fanden. Diese Menschen waren oftmals in ihrer
Heimat in Gemeinden zu Hause gewesen, die sie hier nicht vorfanden. Anfänglich
schloss man sich den Baptistengemeinden, den damals hier einzigen Freikirchen, an.